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Verantwortung übernehmen

Bildquelle: sokaeiko / pixelio.de

Lichtblick-Predigt am 18.02.2018 von Pfarrer i. R. Hans Löhr

Thema: Verantwortung übernehmen

Predigt im Lichtblick am 18.02.2018 von Pfarrer i. R. Hans Löhr
(Predigttext: 1. Mose 3)

Liebe Freunde,

heute geht es in der Predigt um das Thema „Verantwortung übernehmen“. Dazu werfen wir zunächst einen Blick in die Geschichte und dann erzähle ich noch von einem aktuellen Beispiel, von dem ich kürzlich in der Zeitung gelesen habe. Ausgangspunkt ist ein Film, den ich vor einiger Zeit gesehen habe. Er spielt in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs und heißt „Drei Tage im April“. Ich will ihn jetzt nicht erzählen, sondern beschränke mich auf den Text, mit der er in einem Fernsehmagazin angekündigt wurde.

Vorab noch ein Hinweis: Es geht mir im Folgenden nicht in erster Linie um die deutsche Vergangenheit, sondern um mich heute. Nicht um Schuld damals, sondern um Verantwortung heute. Doch hört selbst, was in der Programmvorschau stand:
“Überschrift: Verblendete Generation. Titel: Drei Tage im April. Eckartshausen bei Crailsheim (Filmname „Nesselbühl“) in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Täglich wird mit dem Eintreffen der Amerikaner gerechnet. In der Dorfschänke stößt man bereits auf das Ende des Krieges an. Da rollt eines Tages ein Güterzug im Bahnhof ein. Aufgrund technischer Probleme werden drei Viehwagen abgekoppelt. Hunderte von verhungernden KZ-Häftlingen sind in den Waggons eingepfercht, bewacht von SS-Soldaten. Das Schreien und Wimmern der Gefangenen dringt durch das ganze Dorf, doch niemand wagt es, den Eingeschlossenen zu helfen. Ausgerechnet die Gastwirtstochter Anna, bislang ein überzeugtes BDM-Mädel, findet schließlich den Mut, die Qual der Menschen zu lindern. Die Wachmannschaft, mit Cognac bestochen, erlaubt, die Waggontüren für zehn Minuten zu öffnen. Anna verteilt ein paar Lebensmittel. Dann werden die Türen wieder geschlossen. Die Dorfbewohner diskutieren am Kneipentisch, wie man sich das Elend am besten aus den Augen schaffen kann. Als die Wachmannschaften vor den heranrückenden Amerikanern geflohen sind, schieben die Bewohner die ungeöffneten Waggons mit den Verhungerten und Sterbenden auf das abschüssige Gleis zum Nachbarort und lassen sie davon rollen.
“Drei Tage im April” beruht auf einer wahren Begebenheit. Der Regisseur entwirft ein erschütterndes Bild einer in zwölf Jahren Nazizeit durch Passivität, Ignoranz und Verblendung geprägten Generation.”
Soweit die Auszüge aus dem Fernsehmagazin.
Nein, liebe Freunde, in diesem Film geht es nicht nur um die Generation meiner Eltern, hier geht es nicht um einen weiteren Schuldvorwurf, nicht um nachträgliche Urteile über eine vergangene Zeit. Hier geht es um mich. Ich meinte, in den Bildschirm des Fernsehers zu schauen und hab doch nur in den Spiegel geblickt.
Denn weiß ich, wie ich anstelle der Menschen, die in dem Film vorkommen, damals gehandelt hätte? Vielleicht ist es ja so, dass ich sagen muss:
Ich könnte der schwäbische Bahnhofsvorsteher in dem Film sein, in dessen Dienstordnung ein solcher Fall wie mit diesen Waggons nicht vorgesehen ist und der deshalb mit der Situation nicht zurechtkommt.
Ich könnte der Bürgermeister damals sein, der sich als nicht zuständig erklärt und, als er niemanden erreichen kann, der zuständig wäre, auch nicht bereit ist, für diese Ungeheuerlichkeit auf dem Abstellgleis nebenan die Verantwortung zu übernehmen.
Ich könnte der Dorfpfarrer sein, der als einziger Mann des Dorfes etwas gegen das Elend zu unternehmen versucht, aber klein beigibt, als ihm sein Vorgesetzter am Telefon jede Einmischung in politische Angelegenheiten verbietet.
Ich könnte die verbitterte Mutter sein, deren Sohn im Krieg nach großen Qualen gestorben ist und die nun keine Augen und Ohren mehr hat für das Leiden anderer.
Ich könnte der sein, der am Eck des Stammtisches sitzt, nie eine eigene Meinung hat und sich immer an Macht und Mehrheit anpasst.
Ich könnte sein – nein, ich bin ein Mensch wie sie. Die Schwäche all der Menschen aus jenem schwäbischen Dorf ist auch meine Gefahr. Ich lebe wie sie auf demselben Stern, im selben Land. Warum sollte ausgerechnet ich anders sein? Niemand von uns, der damals nicht dabei war, kann heute sagen, wie er sich entschieden und verhalten hätte, niemand.
Und leider liegt es nahe, dass ich und mit mir manch anderer hier damals versagt hätte. Denn dieses Versagen liegt in der Natur des Menschen. Davon spricht die Bibel schon ganz am Anfang.
Das erste Versagen, die erste Sünde war, dass sich Eva und Adam nicht an das gehalten haben, was Gott ihnen gesagt hatte. Sie haben auf die Schlange gehört und die verbotene Frucht vom Baum des Lebens gegessen. Das zweite Versagen, die zweite Sünde folgte auf dem Fuß. Sie wiegt in meinen Augen noch schwerer. Adam und Eva – und das heißt nichts anderes als der Mensch schlechthin – sie übernehmen für ihre Tat keine Verantwortung. Stattdessen schiebt einer die Schuld auf den anderen. Eva schiebt sie auf die Schlange. Und Adam erst! Er schiebt sie auf Eva und erdreistet sich, die Schuld auch auf Gott zu schieben als er zu ihm sagt: „Die Frau, die Du mir gegeben hast, gab mir von dem Baum, und ich aß.“
„Du, Hans, du bist Adam“, sagt mir die Bibel mit dieser Geschichte. Und euch sagt sie: „Ihr seid es auch. Ihr seid Adam und Eva, seid Menschen wie sie.“
Die Geschichte von Adam und Eva ist die Geschichte vom Menschen schlechthin, der wie ein Kind keine Verantwortung für sich und seine Taten übernehmen will und deshalb die Schuld auf andere schiebt. Genauer, es ist die Geschichte vom Erwachsenen, der nicht erwachsen sein will und es doch unter Schmerzen lernen muss. Weiß der Himmel, warum es so schwer ist, in allem, was ich tue und lasse und was mir widerfährt die Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Weiß der Himmel, warum es so schwer ist zu erkennen, dass ich zuständig bin, wenn mir jemand begegnet, der mich braucht.
In der Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies ist dem Menschen zwar der Zugang zum Baum des Lebens verwehrt, nicht aber zum Baum der Erkenntnis. Gott stellt es dem Menschen anheim zu entscheiden. Das macht meine Freiheit und Würde aus, dass ich ein Wesen bin, das wählen und entscheiden kann. Gott stellt es mir frei zu wählen. Damit traut er mir zu, dass ich Verantwortung übernehmen kann – für mich und andere.
Seitdem gibt es im Himmel und auf Erden keine Instanz, die mir die Verantwortung für mich selbst abnimmt. Zur Selbstverantwortung gehört, dass ich aufhöre, die Schuld auf andere zu schieben, auf Eva, auf Gott, auf die Schlange, auf dich.
Und zur Selbstverantwortung gehört nun mal, dass ich auch immer zuständig bin, immer, wenn Not am Mann ist und sonst kein offiziell Zuständiger da ist. Ich soll nach meiner inneren Überzeugung, nach meinen Werten handeln. Ob das immer gelingt, ist eine andere Frage.
Kennt jemand von euch Manfred Kick? Am 13. Februar habe ich folgende Notiz von ihm in der Zeitung gelesen:
Vor einem Jahr wurde Manfred Kick plötzlich berühmt. Eigentlich war er nur auf der A 9 unterwegs, als er vor sich ein Auto bemerkte, das merkwürdig schlingerte. Kick sah den Fahrer bewusstlos im Gurt hängen, und wusste, was zu tun war. Er gab Gas, setzte sich mit seinem Tesla vor den VW Passat, ließ ihn auffahren und brachte ihn zum Stehen. Weil Kick, 42, dem 57-Jährigen damit wohl das Leben rettete, berichteten internationale Medien über ihn. Ein Jahr danach erwischt man Manfred Kick am Telefon, er sitzt – natürlich – gerade im Auto.
SZ: So ein teures Auto wie den Tesla würde wahrscheinlich nicht jeder opfern.
M. Kick: Klar, das habe ich aber auch erst später begriffen. Ein Freund, der professionell mit Autotuning zu tun hat, fing am Telefon an zu weinen und sagte, keiner seiner Kunden hätte so etwas getan. Mir schien es normal.
SZ: Also haben Sie einfach nicht so eine große Liebe für Autos wie andere?
M. Kick: Nein, das würde ich nicht sagen! Aber ich weiß, dass ein Auto ein Gebrauchsgegenstand ist. Ist doch nur Blech, man kann es reparieren. Das mag auch mit meinem Beruf zu tun haben, ich bin Metallbauer. Aber dass ein Menschenleben vorgeht, sieht wohl jeder so. Es war ja klar, dass man dem Mann sofort helfen muss.
Soweit die Zeitung. Ja, dem Metallbauer Kick war klar, dass ein Menschenleben wichtiger ist als ein neues, teures Auto. Und ihm war auch klar, dass er jetzt Verantwortung übernehmen musste, als er den bewusstlosen Fahrer entdeckt hatte. Hätte er erst die Polizei rufen sollen? Bis die eingetroffen wäre, wäre der Fahrer vermutlich tot gewesen oder es hätte inzwischen einen Unfall mit weiteren Beteiligten gegeben. Und so wurde Manfred Kick bewusst: „Ich bin jetzt zuständig und muss etwas unternehmen und dafür auch mein neues Auto aufs Spiel setzen. Ich bin jetzt verantwortlich und darf mich nicht drücken.“
Was mit den Waggons und den Menschen geschehen ist, die damals aus Eckartshausen in Richtung Sulzdorf bei Schwäbisch-Hall weggeschoben wurden, bleibt unklar. Es scheint, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Doch das Problem war damit nicht aus der Welt. In den Köpfen und im Gewissen der damals Beteiligten existierten sie noch. Jahrzehnte später waren sie plötzlich wieder da. Diesmal via Fernsehapparat mitten im Wohnzimmer, auch in meinem.
Niemand kommt aus der Verantwortung wieder heraus, der glaubt, sich ihr entziehen zu können. Unsere Taten und Unterlassungen bleiben wirksam, oft unmerklich, oft tief im Verborgenen. Doch was verdrängt wurde, kehrt wieder. Was abgeschoben wurde, meldet sich zurück.
Ich lerne für mich, dass es besser ist, sich gleich der Verantwortung zu stellen, sie anzunehmen und, wie Manfred Kick, das zu tun, was getan werden muss. Auch wenn ich dafür Nachteile in Kauf nehmen muss. Dazu helfe mir Gott.
Amen.

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Pfarramtsführung
Friedrich Müller
Mobil: 0171/8649686

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