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Ruhe ist unsere Rettung

Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

Lichtblick-Predigt am 21.01.2018 von Pfarrerin Elfriede Bezold-Löhr

Thema: Ruhe ist unsere Rettung

Gedanken zum Lichtblick am 21.01.2018 von Pfarrerin Elfriede Bezold-Löhr

Ein geschenkter Moment. Es ist eiskalt in dem kleinen Häuschen. Aber das macht mir nichts aus – ich komme gerade aus der heißen Sauna. Die Wände des Häuschens sind aus dicken Holzbohlen gezimmert. Meine Augen müssen sich erst an das Dämmerlicht gewöhnen. Dann sehe ich es: Eine roh behauene Bank lädt mich zum Sitzen ein. Ich lasse mich darauf nieder.

Eingewickelt in einen viel zu großen, weißen Sauna-Bademantel sitze ich da. In die gegenüberliegende Wand ist ein Fensterchen eingelassen. Seine beiden Flügel stehen weit offen. Draußen fällt lautlos der Schnee. In dicken Flocken setzt er sich auf die Fichtenzweige. Es ist vollkommen still. Kann man Schneeflocken fallen hören? Ich bilde es mir ein.

Dieser Moment gehört mir. Einfach so. Er ergibt sich. Ich habe nichts dafür getan. Um mich herum ist es still. Im gleichen Augenblick spüre ich: Dieser Moment vollkommener Ruhe ist ein Geschenk an mich. Gott macht es mir. Ich fühle es unmittelbar und intensiv. Ganz wach. Alles, was bis dahin war, rückt in den Hintergrund. Was mir vorher durch meinen Kopf gegangen ist, verstummt. Jetzt tut sich ein ganz anderer Raum auf: einer, in dem ich durchatmen kann. Intuitiv, ohne dass ich es mir vornehme. Ein Raum, in dem ich innerlich leicht werde. In dem ich spüre: Es lösen sich die Krusten von meinem Herzen und von meinem Hirn. Ich weiß mit einem Mal wieder, dass ich mein Leben mit allen seinen Themen und seinen Herausforderungen nicht selber meistern muss, sondern dass ich das Kind des Meisters bin. Ich bin Gottes Kind. Ich bin seine Tochter. Er schenkt mir diesen Moment vollkommener Ruhe. Jetzt wird es leicht: Alles sein lassen. Die Dinge aus der Hand geben. Zulassen, dass ich die Kontrolle verliere und dass das Leben auf mich zukommt.

Der erste biblische Bezug: Ohne Ruhe geht nichts. Salomo, eine der größten Gestalten in der Geschichte des Volkes Israel, der Tempelbauer und Begründer des Königreiches Israel, hält in Psalm 127 im Alten Testament folgende Einsichten fest:

Wenn der HERR nicht das Haus baut,
so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn der HERR nicht die Stadt behütet,
so wacht der Wächter umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht
Und hernach lange sitzet
Und esset euer Brot mit Sorgen;
Denn seinen Freunden gibt er, der HERR, es im Schlaf. (Ps. 127, 1 f.)

Diese Verse sind wie eine Chili-Schote. Sie sind scharf. Eine wirkliche Zumutung, wenn wir sie offen hören als das, was Gott zu unserem Lebensstil sagt. Diese Verse stellen ganz vieles unerbittlich in Frage, das für uns selbstverständlich ist.

Zum ersten: dass wir uns Dinge vornehmen. Dass wir uns etwas vornehmen, dass wir es projektieren und durchziehen. Ob beruflich oder privat. Mit Gott oder ohne ihn? Oft stelle ich mir die Frage nicht. Ich mache. Weil ich meine, dass es sein muss. Oder denke, dass andere es von mir erwarten. Zu diesem Lebensprinzip der scharfe Satz aus der Bibel: „Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.“ Wenn Gott nicht dabei ist, wenn er nicht federführend dabei ist, bei dem, was ich vorhabe, dann ist es umsonst.

Dasselbe gilt für das Absichern dessen, was ich mir aufgebaut habe. Ich kann mir einbilden, mit einer, mit zwei, mit fünf oder fünfzehn Versicherungen mein Leben gepolstert und mich gegen alle Unwägbarkeiten abgesichert zu haben. Dazu der Psalmvers scharf und überdeutlich: „Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht er Wächter umsonst.“ Du kannst dich absichern, wie du willst. Du wirst nie alle Gefahren bannen. Dein Leben bleibt lebensgefährlich.

Und damit wir es wirklich hören, noch einmal die Ansage: „Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen. Denn seinen Freunden gibt er, der HERR, es im Schlaf.“ (Ps. 127, 1 f.)

Viele von uns kennen das: über Jahre, über Jahrzehnte früh aufstehen. Den ganzen Tag auf den Beinen sein und werkeln. Abends todmüde ins Bett fallen. Und sich dann sogar im Bett abends noch Sorgen machen um die Arbeit, die Kinder, den Mann, die Frau, die Mama, die Schwiegerleute.

All mein Schaffen und Grübeln und sich sorgen übersieht ein kleines Wort im letzten Psalmvers: das Wort ‚gibt‘. Denn seinen Freunden gibt er, der HERR, es im Schlaf.“ (Ps. 127, 1 f.)

In unserer Gesellschaft erliegen wir ganz schnell dem Irrtum, dass wir nur das kriegen, was wir uns nehmen. Umgekehrt könnten wir uns auch einbilden, dass alles, was wir haben, unser Verdienst ist. Dass wir es uns verdient haben, weil wir dafür auch geschafft haben. Nichts von dem stimmt. Vieles, sehr vieles fällt uns zu. Es ereignet sich in unserem Leben, ohne dass wir etwas dazu tun. Es begegnet uns.

Der zweite biblische Bezug: Gott gibt uns den guten Rhythmus von Ruhe und Aktion vor. Damit wir das erkennen, muss es immer wieder einmal in unserem Leben ruhig werden. Es gibt Kraftquellen für unser Leben, die wir anzapfen sollten, weil die Dinge so sind, wie sie sind. Weil Leben, ganz normales Leben, Kraft kostet. Aber dafür brauchen wir Ruhe. Tomas Sjödin, ein schwedischer Theologe, beschreibt das für mich einprägsam: „Ich glaube“, so schreibt er, „dass die Seele ihr eigenes Wurzelwerk hat und dass es manchmal ruhig um einen werden muss, damit die Wurzelstränge eine Chance bekommen, in die Tiefe zu wachsen, bis dorthin, wo die stillen Quellen sind.“

Wann ist Ruhe angesagt? Was meint ihr? Am Ende, oder? Dann, wenn ich platt bin. Wenn ich mir denke: „Jetzt hast du dir eine Pause verdient. Jetzt ist eine Auszeit dran.“ Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – das war ein Leitmotiv in meiner Familiengeschichte. Erst powern. Dann – vielleicht – pausieren. Wisst ihr, was die Bibel dazu sagt? Die Erzählung von den Anfängen unserer Welt liefert überraschende Erkenntnisse. In Bildern wird da vor unserem inneren Auge gemalt, wie alles entsteht: da ist zuerst die Welt, dunkel und leer. Gott schafft deshalb zunächst das Licht. Dann schafft er den Himmel und die Wolken. Danach zieht sich das Wasser in riesige Meere zurück und gibt große Landflächen frei, auf denen Blumen und Pflanzen zu wachsen beginnen. Im Anschluss daran schafft Gott die Gestirne: die Sonne für den Tag und Mond und Sterne für die Nacht. Als nächstes sorgt Gott dafür, dass Tiere die Erde bevölkern. Dann sorgt er dafür, dass wir ins Leben kommen: die Menschen. Beachtlich! Uns schafft Gott, als praktisch alles fertig ist. Gott hat das Meiste bereits erledigt, als wir die Bühne betreten. Daraus folgt: Wir müssen die Welt nicht (noch einmal) erschaffen. Die Welt ist für uns schon fertig. Und das erste, was Gottes Menschen tun dürfen, als sie die Erde betreten, ist — ruhen.

Ganz simpel gesagt: Gott schafft alles, was existiert. Zuletzt uns Menschen. Und zu uns sagt er: „So, und morgen ist übrigens hier Feiertag.“ Regelmäßiges Nichtstun ist etwas, was Gott liebt. Regelmäßiges Ausruhen tut uns gut – geht es nach Gott, dann dürfen wir jeden siebten Tag blau machen. Zur Ruhe kommen. Nichts, aber wirklich auch gar nichts tun. Dann kann sich unser Körper regenerieren, indem wir ausschlafen. Und unsere Seele regeneriert sich, schafft sich neu, indem sie zwar wach ist aber zur Ruhe kommen darf.

Drei kostbare Tipps zum Abschluss:

Um das Leben zu gewinnen, nach dem man sich im Tiefsten sehnt, muss man bereit sein, andere denkbare Leben aufzugeben. Ein erfülltes Leben ist nicht gleichbedeutend mit einem vollen Leben. Wer sich Ruhe gönnt, zieht Grenzen und sagt immer wieder einmal: „Nein danke. Das brauche ich jetzt nicht. Jetzt gönne ich mir Ruhe.“

Je größer die Aufgaben sind, die vor uns liegen, desto wichtiger ist die Ruhe. Ruhen ist der Weg, wenn es darum geht, uns einer Sache zu stellen, die einfach übermächtig ist. Im Ruhen können sich Dinge in uns sortieren. Wir hören auf Stimmen, die wir sonst überhören würden. Gott kann aktiv werden. Ihr erinnert euch an den Psalm-Vers von vorhin: Er sorgt mit Vorliebe für uns, wenn wir schlafen oder ruhen.

Niemand von uns ist gezwungen, sich seinen Platz und seinen Wert in unserer Welt zu verdienen. Wir haben unseren Wert und unsere Würde nicht durch das, was wir schaffen. Gott gibt uns Wert und Würde. Umsonst. Wenn wir nur zählen würden, solange wir Dinge tun, die zählen, dann würden wir wertlos werden, wenn wir nichts mehr schaffen können. Das ist nicht das, was Gott sich zu uns gedacht hat. Er hat sich gedacht: „Meinen Kindern gebe ich das, was sie brauchen, im Schlaf. Ich sorge für sie, weil sie meine Kinder sind.“ Deshalb ist Ruhe unsere Rettung.

Amen.

PFARRAMT

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Tel.: (09826) 2 47

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