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Was Atombrot, Dichtungsringe und mein Glaube miteinander zu tun haben

Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

Lichtblick-Predigt am 04.02.2018 von Pfarrerin Elfriede Bezold-Löhr

Thema: Was Atombrot, Dichtungsringe und mein Glaube miteinander zu tun haben
 

Gedanken zum Lichtblick am 05.02.2018 von Pfarrerin Elfriede Bezold-Löhr

In einem Satz zusammengefasst lautet die Quintessenz meiner Gedanken heute: Ich möchte einen Glauben haben, der mit einem Atombrot möglichst wenig und mit einem elastischen Dichtungsring möglichst viel zu tun hat. Alles klar? Wem das reicht, der kann jetzt aufstehen und schon mal gehen. Wer noch etwas besser verstehen will, was ich damit meine, muss noch ein bisschen hierbleiben und mitdenken.

Es geht heute um den Glauben. Um meinen, um deinen und um Ihren Glauben. Wie der ist, wovon er lebt und was er mit dir und mit Ihnen, mit deinem und mit Ihrem Leben macht.

Kindheit. Fangen wir ganz am Anfang an. In unserer Kindheit. Wenn wir großes Glück hatten, gab es da eine Mama, die sich am Abend für uns Zeit nehmen konnte. Die sich an unser Bett gesetzt hat, die eine Kinderbibel aus dem Regal genommen und uns vorgelesen hat. Eine Erzählung von Gott. Jeden Abend eine. Und vielleicht hatte unsere Mama sogar noch den Mut, zwei oder drei eigene, ganz schlichte Gedanken zu uns zu sagen, die ihr zu dem durch den Kopf gegangen sind, was sie da gerade vorgelesen hat. Vielleicht hatte sie den Mut,
noch ein kleines, einfaches Nachtgebet für uns und mit uns zu beten. Es musste nicht unbedingt unsere Mama sein. Es konnte genauso gut unser Papa sein. Oder unsere Oma, unser Opa. Eine Person, der sehr viel daran lag, dass wir schon als Kind Gott kennen lernen.

Kritische Zwischenfrage. Kurze Zwischenfrage: Was, wenn es diese Menschen in unserem Leben nicht geben hat? Das ist eine schmerzhafte Frage. Ich habe darauf keine Antwort. Ich habe als Antwort nur meine Leidenschaft, meine bohrende Sehnsucht, die Taufeltern und Paten immer wieder zu spüren bekommen, dass sie ihren Kindern diese Welt des Glaubens nicht vorenthalten mögen. Sie da
hineinzuführen, legt ein Lebens-Fundament, das mit nichts anderem vergleichbar ist.

Kurzer Sprung aus der Kindheit ins Heute. Wenn wir dieses Glück hatten, dann haben wir heute einen Schatz von biblischen Erzählungen im Sinn und in der Seele, die uns Halt in allen möglichen Situationen sein können: ‚David gegen
Goliath‘ vor dem Gespräch mit dem Abteilungsleiter. ‚Daniel in der Löwengrube‘ vor der OP-Besprechung mit dem Ärzteteam im Krankenhaus. ‚Jesus stillt den Sturm‘ angesichts von mächtigen Umbrüchen an meinem Arbeitsplatz. ‚Gott schickt Abraham in unbekanntes Neuland‘ angesichts massiver Veränderungen in unserer Kirchengemeinde. Aber zwischen dem ‚Damals‘ unserer Kindheit und dem ‚Heute‘ liegt eine ganz schön lange Strecke an Lebensweg. Auf diesem Weg war eines unerlässlich: dass wir ‚in Übung geblieben sind‘. Dass wir unseren Glauben ‚genutzt‘ haben.

Use it or lose it (– nutze es oder verliere es -) ist ein Lebensgrundsatz, der für ganz Vieles gilt. Zum Beispiel für unsere Muskeln. Wenn wir sie nutzen, bleiben sie kräftig und leistungsfähig. Wenn wir sie nicht nutzen, also nur herumsitzen, verkümmern sie. Sie bauen sich ab. Definitiv.
‚Use it or lose it‘ gilt auch für unseren Verstand: Nur wenn wir ein Leben lang unsere grauen Zellen nutzen, wenn wir uns ab und zu wirklich fordern, uns auch mit Fünfzig und Sechzig und Siebzig noch neue Dinge einprägen, bleiben sie fit. ‚Use it or lose it‘ gilt auch für unseren Glauben. Er will ‚genutzt‘, immer wieder erprobt und weiter’entwickelt‘ werden. Sonst wird er hart. Allbacken. Spröde.

Nochmals ein Blick zurück. Wenn es da jemand gegeben hat, der uns früher von Gott erzählt hat, dann haben wir diese Erzählungen als Kinder mit uneingeschränktem Vertrauen gehört. Alles war für uns vorstellbar. Es hat nichts gegeben, was es nicht gibt. Dass Gott einen halbstarken David cool macht und unbezwingbar – „Warum nicht?“. Dass Gott Löwen praktisch das Maul zuhalten kann …? „Natürlich! Es sind doch seine Geschöpfe.“ Dass Jesus einen Sturm stillen kann …? „Wow! Wie gut für die Jünger!“ Dass Gott Abraham in Neuland schickt…? „Ok – wenn er meint, dass das der beste Weg für Abraham ist.“

Ich warne ausdrücklich davor, dass wir lächeln über die Naivität von Kindern. Dass wir uns milde lustig machen über ihre Fähigkeit, das Unwahrscheinliche für möglich zu halten. „Kindern gehört das Reich Gottes“ – sagt Jesus einmal ziemlich sauer zu sehr nüchternen, sehr strukturierten Erwachsenen. „Es täte euch gut, wenn ihr Ihnen ähnlich würdet. Wenn ihr versuchen würdet, Ihnen wieder ähnlich zu werden in ihrem tiefen Vertrauen in das Leben, in das Gute und in mich.“

Elastische Dichtungsringe. Kinder ähneln – und jetzt klaue ich einen Vergleich von Andreas Boppart, den er in seinem Buch ‚Neuländisch‘ bringt – Kinder ähneln Dichtungsringen an Wasserhähnen. Im besten Fall haben sie Halt und einen sicheren Ort in ihren Familien. Und zugleich sind sie in ihrem Geist flexibel und sehr beweglich in dem, was für sie vorstellbar ist. Stabil und treu einerseits, flexibel und weich andererseits.

Erinnert ihr euch an die Quintessenz meiner Predigt, die ich gleich am Anfang verraten habe? Ich möchte einen Glauben haben, der mit einem Atombrot möglichst wenig und mit einem elastischen Dichtungsring möglichst viel zu tun hat. Halt und einen sicheren Ort im Leben möchte ich auch als Erwachsene haben. Zugleich möchte ich flexibel bleiben, offen und durchlässig für das, was Gott mir heute und morgen und übermorgen deutlich machen will. Aber das ist gar nicht so einfach.

Teenagerzeit. Aus Kindern werden Teenager. Wenn Konfirmandinnen und Konfirmanden sich trauen, in der Konfizeit etwas laut zu äußern, dann fangen ihre Sätze oft mit ‚Aber‘ an. Wir wünschen uns das im Übrigen in unserer Gemeinde: dass unsere Konfis etwas laut äußern. Dass sie anfangen, laut über ihren Glauben nachzudenken. Deshalb sind sie ganz oft in Kleingruppen zusammen, die von normalen Leuten – also nicht von mir – geleitet werden. Nochmal: Die Sätze mutiger Konfis fangen oft mit ‚Aber‘ an. Das ist für unsere ehrenamtlichen Kleingruppenleiter manchmal anstrengend. Und zugleich ist es das Beste, was uns passieren kann. Denn dann fangen die Teens an, mit uns laut nachzudenken. Sie stellen ihre Fragen zu dem, was Gott und Jesus und ihren Glauben angeht. Und ihre Fragen zeigen, dass es mit der kindlichen Naivität zu Ende geht. Dass die Vernunft immer stärker zum Maßstab wird. Jetzt gilt das noch, was überprüfbar ist. Was nachvollziehbar ist. Dass Goliath gegenüber David den Kürzeren zieht, wird eher unwahrscheinlich. Dass Gott Löwen das Maul zuhalten und Menschen bewahren kann, rückt ins Reich der Phantasie. Dass Jesus einen Sturm stillt, wird ziemlich unglaublich. Und dass Gott Abraham in absolutes Neuland schickt, macht dank GPS und Navi den Teens nicht mehr unbedingt Angst. Da transformiert sich etwas. Die Erfahrungen, die unsere Teens daheim, in der Schule, in ihrem Freundeskreis und im Dorfleben machen, wirken zurück auf ihr
Weltbild und ihre Überzeugungen. Sie verändern ihren Kinderglauben. Brechen ihn auf. Das ist ein Prozess, der durchaus schwierig und anspruchsvoll ist. Er dauert Jahre. Nein, er dauert Jahrzehnte. Denn auch dann, wenn ich aus der Pubertät raus bin, verändere ich mich weiter. Ich denke und glaube mit 30 anders, als ich mit 15 gedacht und geglaubt habe. Mit 45 denke und glaube ich wiederum anders als mit
30. Das Älter- und Altwerden macht auch wieder viel mit mir. Ich bleibe nicht Einund Dieselbe ein ganzes Leben lang. Exakt das gilt auch für meinen Glauben.

Atombrot. Und jetzt sind wir beim Atombrot. So nennt Andreas Boppart einen Glauben, der ‚fertig‘ ist. Den Ausdruck klaut er bei der Schweizer Armee. Es gibt dort Brot, in Dosen verpackt, das angeblich auch nach zwanzig Jahren noch genießbar sein soll. Das sich nicht verändert und nicht verdirbt. Die Notration im Fall eines Atomkriegs. Atombrot aus der Dose, über Jahrzehnte gleich. Mein Glaube soll alles andere sein als ein solches Atombrot. Nichts „Fertiges, etwas, das man einmal backt und dann sauber abgepackt für die nächsten
Jahrzehnte im Tiefkühler verstaut.“1 Glaube ist auch nicht eine Kladde auswendig gelerntes Zeug, das ich in der Konfiprüfung aufs Papier würge und dann nach und nach vollständig vergesse. Glaube ist auch nicht das jahrzehntelange Absitzen von Predigten in Kirchen über
Bibeltexte, die in einer Endlosschleife wiederkommen. Glaube ist ein ‚Geschehen‘. Da passiert etwas mit mir und in meinem Leben. Ob ich
Kind, ob ich Teenager, ob ich Erwachsener in mittleren Jahren oder ob ich ein alter Mensch bin. Mein Glaube ist meine Geschichte mit Gott. Und da geht es ab, so lange ich lebe. Wenn ich elastischer Dichtungsring bleiben kann und mein Glaube nicht zum Atombrot geworden ist.

Biblische Bezüge. Wie kann ich das sagen? Weil die Bibel strotzt von Hinweisen in diese Richtung. „Ich werde sein, der ich sein werde“ (Ex. 3,14)– heißt der Gott JAHWE namentlich, an den wir glauben. Immer wieder neu, immer wieder anders, immer wieder überraschend begegnet mir Gott. Doch in allem Neuland bleibt eines unumstößlich: dass er verlässlich da ist und mir treu bleibt. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ (Psalm 31, 9)– betet David in den Psalmen und erkennt Gott als einen, der Neuland liebt. Jesus macht uns in seinem Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Matth. 25, 14ff.) klar, dass wir unsere Begabungen, unsere Talente nicht einbuddeln dürfen.
So wenig wie unseren Glauben. Sonst erstickt er.

Glaube als Atombrot? Nein danke. Glauben wir ein elastischer Dichtungsring? Ja bitte.

Amen.

1 Boppart, Andreas: Neuländisch. Hänssler 2018, S. 23

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