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Besondere Zeiten. Tagebuch, Seite 43

Mein Morgen begann sehr früh: Ab drei Uhr war an Schlaf nicht mehr zu denken. Ein erholsamer Schlaf fällt mir aktuell schwer. So war ich schon lange wach, bevor ich um halb sechs Uhr nach einer Woche Homeoffice nach Ansbach zur Arbeit gefahren bin: in ein leeres Büro, das sich normalerweise sechs Personen teilen. Aufgrund der Corona-Pandemie sollen sich die Mitarbeiter jedoch möglichst wenig treffen, so dass es mir heute ganz allein ‚gehörte‘.

Der Arbeitstag verlief weitgehend normal, nur meine Selbstgespräche sollte ich mir nach Corona wieder abgewöhnen. Im Laufe des Vormittags erreichte mich dann eine Mail, auf die ich schon länger gewartet habe. Seit fast eineinhalb Jahren habe ich zwei Konzertkarten für Andrea Bocelli in der dritten Reihe. Eigentlich sollte das Konzert im September stattfinden, doch nun wurde es auf den Herbst 2021 verschoben. Die Person, für die ich die zweite Karte angedacht habe, weiß noch gar nichts von der Veranstaltung…

Ob das 2021 wirklich klappt? Zugegeben, der Gedanke stimmt mich etwas traurig. Es ist eines der vielen Dinge, auf die ich mich in diesem Jahr sehr gefreut habe… so wie auf ganz viele andere kleine Vorhaben auch. Kollegen, zu denen ich vor ein paar Wochen noch gesagt habe, nächste Woche machen wir zusammen Mittag… Auch das hat nicht geklappt. Sicher sind diese Dinge letztlich eine Kleinigkeit, aber primär geht es mir gar nicht so sehr um das, was nicht stattfinden kann, sondern vielmehr um die gemeinsame Zeit mit Freunden, die fehlt.

Dennoch zeigen mir die Erfahrungen in diesen Wochen auch etwas Wichtiges: geplante Erlebnisse im Konjunktiv sind schwierig. Ich möchte auch in Zukunft schöne Dinge planen – ganz bewusst. Und nicht nur als Konjunktiv in der Form könnte, sollte, würde, sondern ganz konkret, denn sonst wird aus dem ‚irgendwann‘ schnell ein ‚nie‘. Ich möchte nicht in vielen Jahren mit Freunden und mir nahestehenden Menschen irgendwo sitzen und sagen „Weißt du noch damals, als wir beinahe einen Gleitschirmflug gemacht hätten. Oder als wir abends um 22:00 Uhr in einer lauen Sommernacht unseren Schlafsack, etwas zum Essen und Trinken fast eingepackt hätten und an einen naheliegenden See gefahren wären, übers Wasser geblickt und bis in den Morgen über Gott und die Welt geredet hätten.“

Das heißt für mich nicht, dass ich nichts mehr auf lange Sicht plane, denn manches braucht auch eine gewisse Vorbereitung und wird so zu einem Lichtpunkt, auf den ich mich besonders freue. Und auch wenn man das eine oder andere plant, bleibt immer noch genügend Raum, in dem uns Gott, das Leben und andere Menschen überraschen können. Aber das Leben ist Hier und Jetzt. Gestern ist vorbei und nicht mehr zu ändern, morgen ist noch weit weg. Auch wenn gerade nicht der richtige Zeitpunkt für gemeinsame Erlebnisse, Aktivitäten oder gemeinsame Feiern ist, ist es der beste Moment, dem nachzuspüren, was ich gerne tun möchte, was mir wichtig ist und von welchen Menschen ich mir wünschen würde, dass sie mich begleiten.

Und noch eins ist mir mehr als bewusst. Wir sollten den Moment viel öfter nutzen, um den Menschen, die uns wichtig sind, genau das auch zu zeigen. Denn gerade Situationen wie diese, sind nur dann machbar, wenn wir zusammenstehen und füreinander da sind. Manchmal nehmen wir das als selbstverständlich hin und in typisch fränkischer Art, sagen wir nichts. Wie wohltuend ist es, den Menschen, die uns am Herzen liegen, dies in einer Mail, einer WhatsApp, einem Anruf oder in ein paar persönlichen Zeilen zu sagen. Leider tun wir es viel zu selten. Bei den Sonntagskindern habe ich es in der Kleingruppe mal versucht. Jeder bekam den Namen eines anderen Kindes und sollte auf einen Zettel schreiben, was er an der Person schätzt und mag. Jedes Kind hatte am Ende einen Zettel, auf dem stand, was der andere an ihm gut findet. Das war für alle ein schöner Moment.

Und wie heißt es in einem Zitat des Schriftstellers Khali Gibran:

Zwischen dem, was gesagt, aber nicht gemeint wird und dem, was gemeint, aber nicht gesagt wird, geht die meiste Liebe verloren.

Ich würde mich freuen, wenn es mir gelingen würde, die beiden Botschaften nicht nur in Konjunktiven zu planen und den Menschen zu zeigen, dass sie mir wichtig sind, nicht nur in der Krise zu beherzigen, sondern ganz bewusst auch darüber hinaus.

Daher wünsche ich dir, Ihnen und uns Begegnungen, Nachrichten und Gelegenheiten, in denen das Miteinander und das Gefühl „Du bist mir wichtig“ spürbar sind. Ich wünsche uns aber auch den Mut, eben dieses Gefühl zu vermitteln. Denn dafür gibt es keinen besseren Moment als jetzt.

Den Großteil des restlichen Tages habe ich damit verbracht, den Rotmilan, der hier seit kurzem lebt, zu fotografieren. Das versuche ich schon einige Wochen und nun ist mir dieses Sinnbild für Freiheit mit sehr viel Geduld, die es dafür gebraucht hat, gelungen.

 

Liebe Grüße aus Thann

Michaela Meyer

 

 

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