Liebe Leserin, lieber Leser, an diesem Wochenende weihen wir in unserer Kirchengemeinde ein Mahnmal ein.…
Besondere Zeiten. Tagebuch, Seite 53
Heute früh habe ich das gemacht, was wahrscheinlich elf Millionen weitere Deutsche auch gemacht haben: Ich habe bei der Friseurin meines Vertrauens angerufen und optimistisch einen Termin erfragt. Es war mir völlig klar, dass ihr Kalender überquillt. Daher war ich in meinen Wünschen ganz bescheiden: nur den Pony schneiden. Das hätte mir genügt. Denn der hängt lästig in die Augen. Zwei Minuten – dann wär’s das gewesen und ich hätte wieder ‚ordentlich‘ ausgesehen. Die Freaks unter euch, liebe TagebuchleserInnen, lächeln längst mitleidig: „Pony schneiden ‚einfach so‘. Wie süß. Als ob das jetzt ginge. Jetzt, in Corona-Zeiten, gibt es keine Trockenhaarschnitte!! Jetzt muss immer vorher gewaschen werden!!“ Ok, ok. Als ich dem netten Herrn am anderen Ende der Leitung im Salon entgegnete, dass ich dann halt selbst zur Schere greifen müsste, meinte er nur süffisant lächelnd (- das war sogar durch den Hörer zu sehen!): „Machen Sie das nur. 🙂 . Wir helfen Ihnen dann weiter 🙂 – es dauert halt ein bisschen.“ Na ja, jetzt warte ich eben drei Wochen auf meinen Friseurtermin und sehe erst dann wieder ordentlich aus.
Später habe ich im Büro alles zusammengestellt, was ich in den nächsten Tagen brauche, um unsere Kirchen ‚gottesdiensttauglich‘ zu machen: nette Aufkleber für die Bänke, um damit die Plätze zu kennzeichnen, an denen jemand sitzen darf. Flaschen mit Desinfektionsflüssigkeit und Sprühköpfe zum Aufschrauben. Prompt klingelte dabei das Telefon im Büro und der örtliche Metallbauer war am Apparat: Ich hätte diese Alu-Spezialkonstruktion für das Ausmessen der zulässigen Corona-Sitzplatzgröße ( – ihr wisst schon: vier Quadratmeter – ) bei ihm bestellt. Die sei jetzt fertig. Also habe ich mich aufs Radl geschwungen und bin zu Herrn Kral geflitzt, der praktischer Weise hier in Sommersdorf seine Werkstatt hat. Er hat alles exakt so für mich gebastelt, wie wir es besprochen hatten. Und so bin ich am frühen Nachmittag nach einer kleinen Besorgungsrunde und einem Teller Spargelcremesuppe, einer Tasse Kaffee und einem Stück Rhabarberkuchen mit meinem ‚Corona-Kreuz‘ aus zwei Zwei-Meter-Alu-Stäben, flexibel in der Mitte durch eine Schraube verbunden, in die Sommersdorfer Kirche gewandert und habe ausgemessen. Wenn wir es genau nehmen und die Empore mit einbeziehen, können wir am kommenden Sonntag zu fünfzigst Gottesdienst feiern. Und oben auf der Empore wären noch einige Reserve-Plätze. Das ist doch etwas! Ich bin wirklich mega gespannt, wie das wird …
Der Tagesabschluss war für mich etwas weniger angenehm: Meine Hautärztin musste mir ein Stück Kopfhaut entfernen, die sich nicht so verhält, wie sie das eigentlich sollte. Jetzt turne ich mit Turban durch die Gegend, weil die Naht auf meinem Kopf nicht gerade dekorativ wirkt. Aber bis zum kommenden Wochenende habe ich die perfekte Tarnfrisur entwickelt und ihr werdet alle nichts mehr davon merken, das mir ‚im Oberstübchen etwas fehlt‘.
Ich wünsche euch allen einen erholsamen Abend. Alles in allem spüre ich einen leisen positiven Wind der Veränderung unter den Leuten, mit denen ich zu tun habe. So etwas wie Erleichterung, dass doch nach und nach immer mehr wieder möglich wird. Bewahren wir uns diese Zuversicht und zugleich die erlernte Rücksicht, dann kommen wir gut Schritt für Schritt weiter. Liebe Grüße aus dem Pfarrhaus. Deine / Ihre Elfriede Bezold-Löhr